Energiesparlampe statt „Lichttherapiegerät“: Winter-Stimmungstief günstig bekämpfen, Physik sei Dank

Aufbauend auf dem hervorragenden Artikel „Some Notes on Winter Blues“ von Frank Rieger möchte ich hier meine Recherchen und Erfahrungen zur Bekämpfung des weithin bekannten Stimmungstiefs im Winter dokumentieren. In Deutschland ist der Begriff „Winterdepression“ gebräuchlich, den ich allerdings für irreführend halte, weil eine tatsächliche Depression eine ganz andere Hausnummer ist. Passender ist der englische Name „seasonal affective disorder (SAD)“, auf Deutsch etwa „jahreszeitliche Gemütsstörung“. Wurzel des Problems ist offenbar, dass Menschen im Winter wesentlich weniger Sonnenlicht ausgesetzt sind als in anderen Jahreszeiten. Die geographische Lage (Nord)deutschlands und die Witterungsverhältnisse verschwören sich zu einer Situation, in der schon mal etliche Tage oder Wochen ins Land gehen, ohne dass man einen Sonnenstrahl abbekommt.

Die berüchtigte „Hamburger Sonnenfinsternis“, oft ab etwa 13 Uhr zu bewundern. Foto: elbpresse.de, CC-BY-SA 4.0

Die berüchtigte „Hamburger Sonnenfinsternis“, oft ab etwa 13 Uhr zu bewundern. Foto: elbpresse.de, CC-BY-SA 4.0

Für gewöhnlich komme ich gut damit zurecht, mit der ganzen Natur draußen wenig zu tun zu haben, aber wenn die Bedingungen vor der Tür die eigene Lebensfreude und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen, sollte man sich schon mal damit beschäftigen. Sich bei Gelegenheit so lange wie möglich in die Sonne zu stellen oder Sport bei Tageslicht zu machen ist sicher hilfreich, aber Sonnenstunden und Zeit für Spaziergänge sind oft Mangelware. Mein bevorzugter Lösungsansatz ist daher, die offenbar stimmungsaufhellenden Effekte des Sonnenlichts auf anderem Wege zu erzeugen.

Physikalisch gesehen unterscheiden sich Sonnenlicht und das Licht aus einer geeigneten „künstlichen“ Lichtquelle durch nichts. Von Frank Riegers diversen Lösungsvorschlägen habe ich mich daher auf geeignete Lampen konzentriert. Eine von Frank zitierte medizinische Studie stellt fest, dass LED-Licht einer Wellenlänge zwischen 450 und 480 Nanometern (ein kräftiges Blau) bei Probanden das Hormon Melatonin unterdrückt, und zwar umso stärker, je mehr sie diesem Licht ausgesetzt sind. Ein zu hoher Melatoninspiegel kann offenbar ein Stimmungstief bedingen (Disclaimer: Ich habe keine Ahnung von diesem Kram, es klingt für mich lediglich plausibel), sodass ein Senken des Melatoninspiegels durch geeignetes Licht im Winter hilfreich sein kann.

Eine geeignete Lampe muss vor allem das entsprechende blaue Licht abgeben – die Sonne tut das in Hülle und Fülle, die allermeisten Lampen in unserem Alltag aber nicht. Frank empfiehlt, Datenblätter und Spektraldaten zu konsultieren um Lampen mit einem starken ~470-Nanometer-Anteil zu finden. Allerdings sind für die allermeisten Leuchtmittel kaum ausführliche Produktinformationen zu bekommen. Dazu kommt, dass etliche Spezialprodukte mit blödsinnigen Angaben werben, gnadenlos überteuert sind und die Leute verwirren. Ich möchte deshalb hier zunächst mit einigen Mythen aufräumen.

Überteuerte Spezialprodukte

Zunächst habe ich mich gefragt, ob das, was gern als „Tageslichtlampe“, „Lichttherapiegerät“ oder „Lichtdusche“ gehandelt wird, überhaupt irgendetwas Besonderes kann. Die Preise (siehe Screenshots) sind astronomisch – als ich diese Produkte aber in einem Elektronikhandel einmal in der Hand hatte, war ich regelrecht erschüttert, was das alles für schamlos überteuertes Plastikgeraffel ist. Man merkt den Produkten sofort an, dass sie für das Zehn- bis Zwanzigfache ihres tatsächlichen Materialwerts gehandelt werden – der Preis ist eine regelrechte Beleidigung für jeden, der auch nur ein wenig Gefühl für Elektrogeräte hat.

Philips EnergyUp: Klobig und unpraktisch. Verkaufspreis: 200 Euro; gefühlter Warenwert: 40 Euro.

Ich sehe keine physikalischen Gründe dafür, dass diese Produkte irgendetwas Besonderes an sich haben, und weder Hersteller noch Verkäufer konnten mir plausibel machen, dass dem so wäre. Dass die Lampen ein geeignetes Licht abgeben und wie versprochen wirken, glaube ich sofort – wenn ich so viel Geld dafür ausgeben würde, würde ich als Kunde auch eine Fünf-Sterne-Bewertung verfassen – aber ich bin auch sicher, dass man den gleichen Effekt auch für einen Bruchteil der Kosten erreichen kann. Meine Vermutung ist, dass diese Produkte nur zu so lächerlich hohen Preisen über den Ladentisch gehen, weil es geht. Wer sich ernsthaft um sein Befinden sorgt und sich des Problems bewusst ist, greift eben auch eher entsprechend tief in die Tasche, und glaubt dann umso stärker an einen Erfolg. Zum Anderen habe ich gehört, dass solche Geräte unter Umständen von Ärzten verschrieben und von Krankenkassen bezahlt werden – dann ist natürlich sofort klar, warum die Hersteller fünf- bis zehnmal soviel verlangen können, wie angemessen wäre. Einen handfesten Vorteil haben diese Lampen tatsächlich: Sie haben eine ausgedehnte Leuchtfläche und lassen sich gut auf dem Tisch in der Nähe des Gesichts platzieren. Dieser Effekt ist mit günstigen Lampen und Leuchten etwas schwieriger zu erreichen – aber auch nicht so sehr, dass es die Mondpreise dieser Geräte rechtfertigen würde.

Worauf man achten sollte

Kommen wir also zu der Suche nach vernünftigen Alternativen: Wie finden wir eine Lampe, die zu einem vernünftigen Preis tut, was wir wollen? Was sind die wirklich relevanten Kriterien für unseren Sonnenersatz? Leider werfen Hersteller und Verkäufer auch hier mit Halbwissen um sich. Versuchen wir mal, die verschiedenen Kriterien zu ordnen.

  • Beleuchtungsstärke: „10.000 Lux!“, schreit einem alles entgegen: man brauche 10.000 Lux, unter 10.000 Lux wirke eine Lampe nicht, dieses oder jenes Produkt hätte 10.000 Lux. Alles Blödsinn, oder mindestens unvollständig und grob irreführend. Zunächst mal hängt die Beleuchtungsstärke, die in Lux gemessen wird, vom Abstand zu einer Quelle ab. Wenn Sie also vor einer Lampe stehen, die „10.000 Lux hat“, und einen Schritt nach hinten machen, ist es schon essig mit 10.000 Lux Beleuchtungsstärke. Für welchen Abstand eine konkret angegebene Beleuchtungsstärke berechnet ist, wird selten dazugesagt. Natürlich sollte eine Lampe eine gewisse Stärke haben, um gut zu wirken – aber damit sie überhaupt wirken kann, muss erstmal das Spektrum stimmen. Die Beleuchtungsstärke allein anzugeben ist genauso sinnlos, als würde man sagen: „Gegen Eisenmangel solltest Du am Tag 800 Gramm Nahrung zu Dir nehmen!“ – wer die falsche Nahrung wählt, kann trotzdem an Eisenmangel leiden.
  • Lichtstrom: Statt der Beleuchtungsstärke (in Lux) bietet sich eher der Lichtstrom (in Lumen) einer Lampe als Maß dafür an, wie hell sie ist. Der Lichtstrom in Lumen gibt an, wie viel Licht eine Lampe insgesamt abgibt – schließlich hat man von Glühbirnen früher auch die Leistung in Watt angegeben, um sich über die Helligkeit zu unterhalten. Diesem Wert entspricht bei modernen Lampen der Lichtstrom in Lumen noch am direktesten. Eine kleine Eselsbrücke für Freunde der Astronomie: Die Angabe in Lux ist so etwas wie die Helligkeit (Magnitude) eines Sterns, während die Angabe in Lumen eher der Leuchtkraft entspricht. Als Richtwert: Ich habe mich für eine Energiesparlampe entschieden, die 810 Lumen hat. Ich betreibe sie in einem Abstand von etwa 90 bis 100 Zentimetern zu meinem Gesicht, und sie ballert ganz ordentlich – so, dass es manche schon als störend empfinden dürften.
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    Das Spektrum der Sonne entspricht einer Farbtemperatur von rund 5.500 Kelvin. Es hat einen starken Blau-Anteil. Bild: © Charles Chandler

    Spektrum: Das Spektrum ist der eigentliche Schlüssel! Hier muss genügend blaues Licht, also Licht der Wellenlängen 450 bis 480 Nanometer enthalten sein, damit der Trick mit dem Melatonin klappt. Wenn dieser Anteil des Lichts fehlt, kann die Lampe noch so stark sein und trotzdem nicht helfen. Leider geben Hersteller von Lampen fast nie ein ordentliches Spektrum an. Deshalb muss man behelfsweise auf die „Farbtemperatur“ in Kelvin (K) achten. In grober Näherung wird mit höherer Farbtemperatur die Wellenlänge immer kleiner. Das Sonnenlicht entspricht etwa 5.500 Kelvin, aber die meisten Glühbirnen und Lampen in unserem Alltag dümpeln um die 2.500 bis 3.000 Kelvin herum. Das ist dann „schön warmes Licht“, aber es enthält kaum Wellenlängen, die hilfreich wären, um Sonnenlicht zu ersetzen. Für unsere Zwecke sollte die Lampe also eine Farbtemperatur von mindestens 5.500 Kelvin, am besten sogar 6.000 oder 6.500 Kelvin haben. Bei Leuchtstofflampen ist offenbar gleich eine ganze Reihe seltsamer Nummern (830, 850, 880) und nichtssagender Bezeichnungen („Warm White“, „Cool White“ oder „Sky-White“) üblich, die man dankenswerterweise mithilfe dieser Webseite einer vernünftigen Angabe als Farbtemperatur zuordnen kann.

  • Lichtquelle: Akzeptable Preise und Energieeffizienz bieten vor allem Energiesparlampen und LED-Lampen. Allerdings haben LEDs die Eigenschaft, kein so schön „bauchiges“ Spektrum wie die Sonne abzuliefern, sondern eher „zackige“ Spektren zu haben – da wird weißes Licht auch schon mal aus einer roten, einer gelben und einer blauen Linie zusammengesetzt, und wenn man Pech hat sind die gewünschten 450 bis 470 Nanometer gar nicht dabei. Ich würde deshalb zu Energiesparlampen raten, außer man kann von einer konkreten LED-Lampe anhand des Spektrums sicherstellen, dass sie die gewünschten Wellenlängen am Start hat – so wie es augenscheinlich für dieses Produkt ausweislich dieses Spektrums (gerade noch) der Fall ist.

Die Lampe meiner Wahl

Conrad-Artikelnummer: 574668. Farbtemperatur: 6.500 Kelvin; Lichtstrom: 810 Lumen.

Conrad-Artikelnummer: 574668. Farbtemperatur: 6.500 Kelvin; Lichtstrom: 810 Lumen.

Baumärkte sind scheiße.

Baumärkte sind scheiße.

Ich habe mich letztlich für die rechts gezeigte Energiesparlampe entschieden. Ich musste durch fünf Bau- und Elektromärkte laufen und mir jede Menge Unfug anhören, bis ein Verkäufer bei (meinem zweiten) Conrad endlich wusste, was Sache ist. Ich war sogar in einem edlen, teuren, wunderhübschen „Beleuchtungshaus“ in der Hamburger Innenstadt, wo es hieß: „Lampen mit Farbtemperaturen von 5.000 Kelvin oder höher führen wir gar nicht.“ Hallo?! Das ist als würde einem an einer riesigen Käsetheke erklärt, dass man grundsätzlich keinen Käse mit Löchern im Sortiment habe. Saftladen.

Wie dem auch sei – mit E27-Fassung und Stromkabel mit Schalter kostete mich der Spaß knapp 18 Euro. Ich hätte auch eine fertige Leuchte aus Fassung+Kabel+Lampenschirm kaufen können, aber nirgendwo war etwas Geeignetes für den Schreibtisch zu finden – das ist wie oben erwähnt die eine Stärke, die spezielle „Tagelichtlampen“ haben. Ich habe letztlich einen alten Plastik-Trinkbecher zweckentfremdet, der sich gut als umgedrehter Lampenschirm und Aufsteller eignet. Dieser steht nun ganz in der Nähe des Monitors, in dessen Richtung ich ohnehin immer schaue, wenn ich am Schreibtisch sitze. Das Licht trifft deshalb ziemlich direkt mein Gesicht und meine Augen, obwohl ich nicht reinschaue. Um – falls ich doch mal hinschaue – nicht so direkt auf die „nackte Birne“ zu gucken, habe ich eine doppelt gefaltete Klarsichthülle mit Klebeband an dem Trinkbecher befestigt. Die zerstreut das Licht angenehm, ohne allerdings zuviel davon zu schlucken.

Man lasse sich von der automatischen Blenden-Korrektur in den folgenden Fotos nicht täuschen: Die Lampe ist ausgesprochen hell.

Anwendung und Wirkung

BlindingLight Es wird empfohlen, Tageslichtlampen am Morgen für 15 bis 30 Minuten einzusetzen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, nach dem Aufwachen nicht zum Smartphone zu greifen, sondern aus dem Bett zu stolpern und mit angeschalteter Lampe vor dem Rechner Nachrichten zu lesen. So kann ich die „Dosis“ für den Tag aufnehmen, ohne mir extra Zeit dafür zu nehmen. Wenn ich die Artikel über die Wirkung von Melatonin richtig verstanden habe, kann die Lampe abends und nachts auch dabei helfen, Müdigkeit hinauszuzögern. (Einige mögen darin einen „gefährlichen Eingriff“ in irgendeinen „natürlichen Schlafrhythmus“ sehen, aber ich halte es für ein Instrument der Chronoemanzipation.)

Auch wenn ich erst seit einigen Wochen dabei bin und die Lampe nicht konsequent jeden Tag nutze, habe ich durchaus positive Effekte beobachtet. Ich bemerke meist am späteren Nachmittag und im Laufe des Abends einen Unterschied, ob ich morgens vor der Lampe saß oder nicht.

Sicherlich wird das Gemüt im Wechsel der Jahreszeiten auch durch Ernährung, Bewegung, psychosoziale und weitere Faktoren beeinflusst. Ich denke aber, dass jeder nach den hier vorgestellten Maßgaben die Chance hat, für wenig Geld zu überprüfen, ob Sonnenlicht-Ersatz eine angemessene Hilfestellung für die dunklen Monate sein kann. Viel Erfolg!

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6 Kommentare
  1. reiner sagte:

    Hi, ich habe jetzt die Tiwin LED SMD 2835 kaltweiß im Einsatz und kann als die gute Alternative empfehlen: http://www.amazon.de/dp/B00I3IW5X6
    Außerdem hatte ich noch einen kugelförmigen Lampenschirm (IKEA Fado http://www.ikea.com/de/de/catalog/products/80096372/). Der ist zu empfehlen, weil die LED einen recht kleinen Abstrahlwinkel hat, von oben auf die LED geschaut ist die LED also wesentlich heller als von der Seite. Der Getränkebecher Hack funktioniert aber auch gut.

  2. Tim sagte:

    Hey. Ich habe eine Frage.
    Ich habe an meinem Schreibtisch eine Ikealampe die hinter dem Monitor die Wand anstrahlt und somit nur indirektes Licht liefert. Hierin würde ich nun gerne das Leuchtmittel gegen eines mit 6500K austauschen.

    Meine Frage ist: Funktioniert der oben beschriebene Trick auch mit indirektem Licht oder muss ich mir da noch was überlegen wie ich die Lampe positioniere um mich anzustrahlen?

    Danke und Gruß, Tim.

    • Michael Büker sagte:

      Moin! Wenn die Wand dahinter schön weiß und das Leuchtmittel stark genug ist, sollte es eigentlich klappen. Wichtig ist, dass nicht zuviel vom Licht verschluckt wird, sondern Du ordentlich was abbekommst. Ich würde vorschlagen, dass Du es mal so probierst wie beschrieben, und wenn es nicht den gewünschten Effekt hat, vergleichst Du mit einer direkten „Bestrahlung“ 🙂

      • Tim sagte:

        Alles klar. Danke für deine Antwort.
        Die Wand dahinter ist schön weiß. Ich riskier mal nen 10er und probier es aus.

  3. Joerg Albert sagte:

    Hi, leider habe ich diesen Blog zu spaet gefunden, habe vor kurzem eine Beurer TL41 gekauft. Sie nimmt ca. 27W Leistung auf (gerade gemessen) und ist mit 10.000 Lux in 20cm Abstand angegeben. Wenn sie mal hinueber ist, probiere ich es mit einer starken Energiespar- bzw. LED-Lampe.

    Meine Frage: falls der Hersteller die Spektralverteilung seiner kaltweissen Lampe nicht angibt, koennte man mit einem Colorimeter (das eventuell schon zu Hause herumliegt, weil man die Bildschirme kalbriert) herausfinden, ob genug Blau drin ist. Oder sind die Colorimeter zu grob bzw. werden sie bei dieser Leuchtstaerke beschaedigt?

    Gruss,
    Joerg

    • Michael Büker sagte:

      Moin! Mit Colorimetern kenne ich mich leider nicht aus, deshalb kann ich dazu nichts sagen. Ich würde aber vermuten, dass man von solchen Geräten im Datenblatt erfahren kann, wieviel sie aushalten, und welche Wellenlängen erkannt werden. Viel Erfolg 🙂

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